Parenterale Ernährung: In bestimmten Situationen überlebensnotwendig

CED und parenterale Ernährung

Schwere Erkrankungen oder bestimmte medizinische Notsituationen können dazu führen, dass eine natürliche Nahrungsaufnahme über den Mund und Verdauungstrakt – auch als orale bzw. enterale Ernährung bezeichnet – in ausreichender Form nicht mehr möglich ist. Um dem drohenden Flüssigkeitsverlust und einer Mangelernährung vorzubeugen, sind die Betroffenen auf eine parenterale Ernährung (PE) angewiesen. Die PE beschreibt die künstliche Ernährung und Versorgung mit Flüssigkeit und Nährstoffen durch Infusionen über die Vene. Über die PE werden dem Organismus alle essentiellen Nahrungsbestandteile zugeführt – hierzu zählen, je nach individuellem Bedürfnis des / der Patient*in, Wasser sowie bestimmte Mengen an Makro- (Kohlenhydrate, Fette, Proteine in Form von Aminosäuren) und Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralien, Spurenelemente). Je nachdem wie schwer der / die Betroffene in seiner Ernährung und der Möglichkeit Flüssigkeit und Nährstoffe auf natürlichem Wege über den Darm aufzunehmen eingeschränkt ist, kann ausschließlich eine PE oder eine PE ergänzend zur oralen Nahrungszufuhr angewendet werden. Die PE sollte so ausgerichtet werden, dass die Betroffenen so wenig wie möglich im Alltag einschränkt sind. Je nach persönlichem Wunsch kann die PE etwa über Nacht durchgeführt werden, um die Einschränkung über den Tag gering zu halten. Moderne Applikationssysteme – sogenannte Katheter- oder Portsysteme – sowie spezielle Infusionsbeutel und -pumpen ermöglichen es, dem / der Patient*in die Infusion auch im Tagesverlauf bei sich zu führen. Dies hat einen großen Einfluss auf die Gestaltungsmöglichkeiten des Alltags und erlaubt beispielsweise auch mit notwendiger PE einer Ausbildung oder einem Beruf nachzugehen. Dies wiederum verbessert die Lebensqualität Betroffener deutlich.

Bei CED sollte nur in Ausnahmefällen auf eine PE zurückgegriffen werden

Auch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) können eine PE in Ausnahmefällen erforderlich machen. Gründe hierfür können eine vorliegende oder drohende schwere Unter- oder Mangelernährung sein, wenn hierdurch eine orale oder enterale Therapie nicht oder nicht ausreichend umgesetzt werden kann sowie wenn schwere Krankheitsverläufe oder andere Komplikationen, die die Resorptionsleistung des Darms vorübergehend oder dauerhaft so sehr einschränken, dass eine ausreichende orale Versorgung mit Flüssigkeit und Nährstoffen nicht möglich ist.

In folgenden Fällen kann eine PE im Verlauf einer CED erforderlich sein:

  • Zur Korrektur schwerer Mangelernährung, insbesondere vor Operationen

  • Bei besonders starken und / oder blutigen Durchfällen im akuten Schub

  • Bei schweren, medikamentös nicht behandelbaren Formen von Übelkeit oder Erbrechen

  • Bei Fisteln in ungünstiger Lage oder Stenosen

  • Beim toxischen Megakolon als Folge von Colitis ulcerosa (CU)

  • Beim Kurzdarmsyndrom (KDS) als Folge von Morbus Crohn (MC)

Beispiele, bei denen eine PE zum Ausgleich eines Nährstoffmangels bei CED eingesetzt wird, betreffen etwa die Supplementation von Eisen bei einer Eisenmangelanämie infolge starker blutiger Durchfälle oder die Vitamin-B12-Substitution bei nachgewiesenem Vitamin-B12-Mangel. Wenn du mehr zum Thema Ernährungsmangel bei CED erfahren möchtest, empfehlen wir dir den Artikel Nährstoffspeicher geleert: Unter- und Mangelernährung bei CED. In dem Beitrag Mit gefülltem Eisenspeicher Anämien vorbeugen und die Vitalität steigern erhältst du zudem Informationen und Tipps dazu, wie du einem Eisenmangel frühzeitig vorbeugen kannst. 

Sicherung einer ausreichenden Flüssigkeits- und Nährstoffversorgung beim KDS

Aufgrund der geringen Resorptionsleistung des Darmes ist die PE für Patient*innen mit einem Kurzdarmsyndrom (KDS) von besonderer Bedeutung. Ein KDS kann in seltenen Fällen als Folge besonders schwerer MC-Verläufe entstehen, wenn hierdurch wiederholte chirurgische Eingriffe und die Entfernung größerer Darmabschnitte erforderlich werden. Mehr zur Entstehung des KDS und was dies für die Betroffenen bedeutet, erfährst du in dem Artikel Das Kurzdarmsyndrom als Folge von Morbus Crohn.

Ziel der PE beim KDS ist es, eine Mangel- und Unterernährung und den teils hohen Verlust von Flüssigkeit, Elektrolyten und Nährstoffen bei unzureichender oraler und / oder enteraler Ernährung auszugleichen. Dabei ist eine PE insbesondere in der Anfangsphase nach dem operativen Entfernen eines Darmabschnittes (Darmresektion) von Bedeutung. In der sogenannten Hypersekretionsphase, in der der verkürzte Darm durch einen langsamen und schonenden Kostaufbau an die neue Situation gewöhnt werden muss, unterstützt die PE die Aufrechterhaltung des Flüssigkeits- und Nährstoffhaushalts. Ist der Darm in der Folge auch langfristig nicht in der Lage die Flüssigkeits- und Nährstoffversorgung über eine orale und / oder enterale Ernährung aufrechtzuerhalten oder wird der Darm in seltenen Fällen so sehr verkürzt+, dass von einer ungenügenden Resorptionsleistung des Darmes auszugehen ist, so wird die PE für die Betroffenen dauerhaft nötig.

Um einer dauerhaften PE vorzubeugen, stehen den Betroffenen verschiedene chirurgische und / oder medikamentöse Therapieoptionen zur Verfügung. Mit einer medikamentösen Behandlung kann beispielsweise das Wachstum der Darmschleimhaut gefördert werden, sodass die Leistungsfähigkeit des verkürzten Darms beim KDS erhöht und die natürliche Aufnahme von Flüssigkeit und Nährstoffen über den Darm unterstützt wird. Zudem lassen sich hierdurch häufige Durchfälle vermeiden und die Verweildauer der Nahrung im Darm verlängern.

 

+ Richtwerte für verkürzte Darmlängen, ab denen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine intravenöse Ernährungs- und Flüssigkeitstherapie erforderlich ist: Patient*innen mit komplettem Verlust des Dickdarms und einer Dünndarmrestlänge von weniger als 100 cm sowie Patient*innen mit erhalten gebliebenem Dickdarm und einer Dünndarmrestlänge von weniger als 60 cm.