Patientenrecht kompakt (Teil 5): Rechte für Pflegebedürftige und ihre Helfer

Pflegebedürftige

Ein glückliches und gesundes Leben, wünscht sich wohl jeder. Doch auch der Gesündeste kann mit steigendem Alter oder aufgrund einer plötzlichen gesundheitlichen Einschränkung auf die Hilfe anderer angewiesen sein. Sollte es tatsächlich so weit kommen, dass man „pflegebedürftig" wird, so stehen den Betroffenen selbst als auch den pflegenden Angehörigen rechtliche Pflegeleistungen zu. Im letzten Teil unseres Spezials zum Thema Patientenrecht, möchten wir uns diesem wichtigen Thema widmen und dich über die Rechte bei Pflegebedürftigkeit informieren.

Ab wann spricht man von einer Pflegebedürftigkeit?

Seit der Pflegereform im Jahr 2017 und dem in Kraft getretenen Pflegeversicherungsgesetz, gelten Menschen als pflegebedürftig, wenn sie aufgrund gesundheitlicher oder psychischer Beeinträchtigung in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt sind und dauerhaft (für mindestens sechs Monate) pflegerische und betreuerische Hilfen benötigen.

Feststellung der Pflegebedürftigkeit und Beantragung von Pflegeleistungen

Ob eine Pflegebedürftigkeit im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes besteht, entscheidet die zuständige Pflegekasse des Betroffenen. Bei den Pflegekassen handelt es sich um Einrichtungen der jeweils zuständigen Krankenversicherung. Beiträge zur Pflegeversicherung müssen wie die Beiträge zur Krankenversicherung von jedem Versicherten geleistet werden. Gesetzlich Pflegeversicherte leisten ihren monatlichen Beitrag in der sozialen Pflegeversicherung (SPV) automatisch, während privat Krankenversicherte zum Abschluss einer privaten Pflegeversicherung verpflichtet sind.

Tritt der Fall einer Pflegebedürftigkeit ein, können der Pflegeversicherte oder dessen Angehörige schriftlich oder telefonisch einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung bei der zuständigen Pflegekasse stellen. Um die vollen Pflegeleistungen in Anspruch zu nehmen, muss der Betroffene in den zurückliegenden zehn Jahren mindestens zwei Jahre als Mitglied in die Pflegekasse eingezahlt haben oder familienversichert gewesen sein. Um zu entscheiden, wie stark pflege- und hilfsbedürftig ein Betroffener ist, berufen sich die Pflegekassen auf ein Gutachten. Hierfür nehmen Experten aus dem Gesundheitswesen ein persönliches Gespräch mit dem Betroffenen auf – für gewöhnlich in dessen eigenen vier Wänden – um anhand bestimmter Kriterien zu beurteilen, ob und inwieweit dieser im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes pflegebedürftig ist. Im Falle gesetzlich Pflegeversicherter werden Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) beauftragt, die Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen in sechs wesentlichen Bereichen des täglichen Lebens zu beurteilen.

Die 6 Bereiche zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit:

  1. Mobilität

    Wie beweglich ist der Betroffene? Ist er in der Lage sich innerhalb seiner Wohnung fortzubewegen? Ist er in der Lage Treppen zu steigen?

  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

    Ist der Betroffene in der Lage mit anderen zu kommunizieren, Sachverhalte zu verstehen oder Risiken zu erkennen? Kann er sich hinsichtlich Ort und Zeit orientieren?

  3. Verhaltensweisen und psychische Beeinträchtigungen

    Zeigt der Betroffene Ängste oder Aggressionen die für andere zur Belastung werden, etwa bei der Abwehr pflegerischer Maßnahmen? Weist der Betroffene eine innere Unruhe auf?

  4. Selbstversorgung

    Ist der Betroffene in der Lage sich selbst zu verpflegen? Kann er für seine Körperhygiene sorgen und sich selbstständig anziehen?

  5. Umgang mit krankheitsbedingten Anforderungen und Belastungen

    Kann der Betroffene seine Medikamente selbst einnehmen oder seinen Zustand selbst überwachen (z.B. Blutzuckermessung)? Kann er selbstständig einen Arzt aufsuchen? Wie gut kann er mit medizinischen Hilfsmitteln, wie etwa einem Rollator, umgehen? 

  6. Gestaltung des Alltagslebens und Pflegen sozialer Kontakte

    Ist der Betroffene in der Lage seinen Tagesablauf selbstständig zu gestalten? Tritt er selbstständig mit Personen aus seinem familiären oder sozialen Umfeld in Kontakt?  

Zusätzlich zu den sechs Kriterien zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit werden auch vorliegende ärztliche Diagnosen sowie Berichte von Klinken oder Pflegediensten im Gutachten der Pflegekassen berücksichtigt. In Vorbereitung eines Gutachtertermins empfiehlt es sich ein Pflegetagebuch zu führen, welches die Selbstständigkeit des Betroffenen im Alltag auf Basis der genannten Kriterien dokumentiert. Dieses kann z.B. Informationen dazu enthalten, inwiefern der Betroffene in der Lage ist, sich selbstständig anzuziehen oder sich Essen zuzubereiten bzw. wie lang er hierfür jeweils benötigt. Ist der Betroffene nicht in der Lage, selbst ein Pflegetagebuch zu führen, sollte dies von den pflegenden Angehörigen bzw. dem Pflegepersonal übernommen werden. Ist der Antrag auf Pflegeleistungen abgelehnt worden oder der  Pflegegrad wurde nach eigenem Ermessen zu niedrig eingestuft, so hat man die Möglichkeit innerhalb eines Monats Widerspruch bei der Pflegekasse einzulegen.

Die Bestimmung von Pflegeleistungen über Pflegegrade

Auf Basis des erstellten Gutachtens wird die Pflegebedürftigkeit des Betroffenen nach neuerlicher gesetzlicher Vorgabe in fünf verschiedene Pflegegrade eingeteilt (Einteilung in drei „Pflegestufen“ vor der Pflegereform 2017). Die Einteilung reicht von einer geringen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder Fähigkeiten im Falle des Pflegegrad 1 bis zur schwersten Beeinträchtigung des Pflegegrad 5. Die finanzielle Unterstützung zur häuslichen Pflege kann in Abhängigkeit des ermittelten Pflegegrades als Geld- oder Sachleistung erfolgen. Geldleistungen erhalten pflegebedürftige Personen, die zu Hause von Angehörigen, Freunden oder privatem Pflegepersonal gepflegt werden. Das erhaltene Pflegegeld können die Betroffenen an die jeweiligen betreuenden Personen aus dem privaten Umfeld weitergeben. Im Falle der Pflegegeldzahlung als Sachleistung erfolgt die häusliche Pflege über einen ambulanten Pflegedienst. In bestimmten Fällen kann auch eine Kombination aus beiden Leistungen beantragt werden. Eine Übersicht der Geld- und Sachleistungen nach aktuellen Pflegegraden1 bietet dir die nachfolgende Abbildung. 

Ab dem Pflegegrad 1 erhalten alle pflegebedürftigen Menschen zudem einen Entlastungsbetrag von monatlich 125 Euro, mit dem Kosten im Rahmen der benötigten Pflege beglichen werden können. Zusätzlich können Betroffene auch bestimmte Leistungen und Angebote zur Unterstützung im Alltag, zur Anpassung des Wohnumfeldes oder zur Pflegeberatung in Anspruch nehmen. Die neue Gesetzeslage berücksichtigt darüberhinaus auch Menschen mit sogenannter eingeschränkter Alltagskompetenz. Hierzu zählen z.B. Demenzkranke, längerfristig psychisch Erkrankte oder Menschen mit geistiger Behinderung.

In der Regel ist für Betroffene und ihre Angehörigen eine häusliche Pflege wünschenswert. Wenn die Anforderungen an eine häusliche Pflege jedoch zu groß werden, sollte eine stationäre Pflege in einem Heim in Erwägung gezogen werden. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Pflegebedürftigen bzw. ihre Angehörigen den Großteil der anfallenden Kosten einer vollstationären Betreuung häufig selbst tragen müssen. Je nach Pflegegrad, wird die vollstationäre Pflege in einem Alten- oder Pflegeheim von der Pflegekasse bezuschusst. Wenn du hierzu weitere Infos benötigst, empfehlen wir dir einen Besuch auf pflege.de

Rechte und Pflichten Pflegebedürftiger und ihrer pflegenden Angehörigen

Natürlich haben Menschen, die Hilfe und Pflege benötigen, zunächst einmal die gleichen Rechte wie alle anderen auch. Eine Reihe von verschiedenen Gesetzen soll zudem sicherstellen, dass Pflegebedürftige in ihrer besonderen Lebenssituation in keiner Weise benachteiligt werden. Die gesonderten Rechte zum Schutz pflegebedürftiger Menschen vereinen die 8 Artikel der Pflege-Charta.

 

Aber nicht nur auf die Pflege-Charta können sich pflegebürftige Menschen verlassen. Auch Angehörige und Freunde stehen in der Pflicht: Per Gesetz sind die direkten Nachfahren eines Pflegebedürftigen, also z.B. die Kinder, verpflichtet, für dessen Unterhalt und somit auch für die Pflege zu sorgen.[1] Um diese in ihrer pflegenden Tätigkeit zu entlasten, gelten allerdings auch für sie bestimmte Rechte und Pflichten. Prinzipiell profitieren auch die pflegenden Angehörigen von höheren Pflegegeldbeträgen seit der Neuregelung durch die Pflegereform 2017. Hinzu kommen eine ganze Menge an Rechten und Angeboten, um pflegende Angehörige zu unterstützen. Hierzu zählt etwa die Freistellung vom Beruf durch das Nehmen von Pflegezeit oder die Beantragung von Pflegeunterstützungsgeld bei der Pflegekasse. Die folgende Infobox fasst diese zusammen:

 

 

Leistungen und Angebote zur Unterstützung pflegender Angehöriger:

  • Pflegezeit von bis zu 6 Monaten mit vollständiger oder teilweiser Arbeitsfreistellung

  • Familienpflegezeit von bis zu 24 Monaten mit vollständiger oder teilweise Arbeitsfreistellung

  • Kurzzeitige Arbeitsverhinderung von bis zu 10 Tagen mit Lohnersatzleistungen

  • Zinslose Darlehen während der Pflegezeit bzw. Familienpflegezeit

  • Soziale Absicherung für Pflegepersonen, z.B. durch Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung durch die Pflegekasse

  • Kostenfreie Teilnahme an Pflegekursen

  • Zuschüsse oder kostenfreie Erstattung von Pflegehilfsmitteln, welche für die häusliche Pflege erforderlich sind

  • Zuschüsse zur Wohnungsanpassung

Entlastung im Alltag mit dem Schwerbehindertenausweis

Aufgrund der Einschränkung und Behinderung im Alltag empfiehlt sich für die Mehrheit pflegebedürftiger Menschen zudem die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises. Der beim Versorgungsamt zu beantragende Schwerbehindertenausweis wird ab einem bestehenden Grad der Behinderung (GdB) von 50 % ausgestellt. Träger eines Schwerbehindertenausweises profitieren etwa von einem arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz, einem Anspruch auf Zusatzurlaub, Vergünstigungen bei der Besteuerung des Einkommens, einer unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr, der Nutzung ausgezeichneter Parkflächen oder den Erhalt des Euroschlüssels zur Nutzung behindertengerechter Anlagen (z.B. WCs).

Wenn du wissen möchtest, ob deine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED) dich zur Beantragung eines Schwerbehindertenausweises berechtigt, bietet die Deutsche Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV e.V.) eine Übersicht zum Grad der Behinderung bei CED zum Download an. 

Auch bei allen weiteren Fragen im Zusammenhang mit deiner CED-Erkrankung und deren Therapie steht dir der DCCV in beratender Funktion als erster Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung.

Wir hoffen, dass du dich mit unserem Spezial zum Thema Patientenrecht umfassend informiert und beraten fühlst und dir die Artikel nützliche Tipps im Zusammenhang mit der Behandlung deiner CED geboten haben.