Alles klar mit RNA? Was steckt hinter den empfohlenen Covid-19-Impfstoffen?

Virus

Die Covid-19-Pandemie hat unser gesellschaftliches Leben maßgeblich beeinflusst und nicht zuletzt durch das Auftreten neuer infektiöserer Virusvarianten scheint eine vollständige Rückkehr zur Normalität noch immer nicht möglich zu sein. Die Hoffnung auf ein Ende der Pandemie besteht in der fortschreitenden umfassenden Impfung der Bevölkerung. Ohne eine flächendeckende Impfung schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass sich ca. 80 % der Erdbevölkerung mit dem SARS-CoV-2-Erreger infizieren könnten. Mit Stand vom November 2021 wurden in Deutschland ca. 68 % der Bevölkerung (ca. 57 Mio Menschen) vollständig geimpft.

Auffrischimpfung für bestimmte Personengruppen wie auch CED-Betroffene empfohlen

Trotz dieser bereits stolzen Impfquote nimmt das Infektionsgeschehen in den letzten Wochen wieder rapide an Fahrt auf. Die Ursache hierfür liegt vor allem in der hohen Infektiosität neuer Virusvarianten, wie der Delta-Variante des SARS-CoV-2-Virus, die auch von bereits geimpften Personen übertragen werden können, bei bereits Geimpften jedoch einen weniger schweren COVID-19-Verlauf hervorrufen. Die aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission in Deutschland (STIKO) vom 18. November 2021 geben aus diesem Grunde eine Auffrischimpfung für in erster Linie Personen ab 18 Jahren und mit einem erhöhten Risiko an COVID-19 zu erkranken vor. Hierzu zählen beispielsweise medizinisches Fachpersonal, Pflegepersonal in Senioren- und Pflegeheimen, Senioren im Alter von 70 Jahren oder darüber hinaus, Personen mit bestimmten Grunderkrankungen sowie Personen mit einer Immundefizienz. Zu den Grunderkrankungen, die mit einem erhöhten Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf einhergehen, zählen laut STIKO auch die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Viele CED-Betroffene erhalten zudem eine immunsuppressive Therapie und fallen somit auch unter die Personengruppe mit Immundefizienz. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass CED-Betroffene, die eine COVID-19-Impfung während der Behandlung mit einer immunsuppressiven Therapie erhalten haben, im Vergleich zu gesunden Probanden weniger Antikörper gegen das Virus bilden und somit möglicherweise schneller ihren Impfschutz verlieren. Für eine Impfung sollte die Immunsuppression nach Möglichkeit gering sein.

Dennoch sollten Betroffene einer CED ihre immunsuppressive Therapie zur Impfung nicht unterbrechen, da das Risiko eines möglichen Schubs in der Regel höher ist als das mögliche Risiko einer zu geringen Immunantwort.
Die STIKO empfiehlt generell eine Auffrischimpfung für CED-Betroffene unter Immunsuppression nach sechs Monaten, wenn zuvor eine Grundimmunisierung mit einem mRNA-Impfstoff erfolgte. Unabhängig davon, welcher Impfstoff bei der Grundimmunisierung verwendet wurde, soll nach Vorgabe der STIKO die Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff erfolgen. Für die Auffrischimpfung soll in der Regel der mRNA-Impfstoff benutzt werden, der bei der Grundimmunisierung zur Anwendung gekommen ist. Wenn dieser nicht verfügbar ist, kann auch der jeweils andere verfügbare mRNA-Impfstoff eingesetzt werden. Was du sonst noch über die Impfung mit mRNA-Impfstoffen wissen solltest, möchten wir dir nachfolgend kurz erläutern. 

Impfung mit mRNA-Impfstoffen uneingeschränkt möglich

Das Kompetenznetz Darmerkrankungen e.V. – ein führender Verbund aus Wissenschaftler*innen, Ärzt*innen, Fachkliniken, universitären Instituten und der Wirtschaft auf dem Gebiet der Gastroenterologie – veröffentlichte eine Empfehlungen zur Impfung CED-Betroffener mit bestehender immunsuppressiver Therapie. Aus Sorge unter einer Immunsuppression besonders gefährdet zu sein oder sich aufgrund dessen nicht gegen Covid-19 impfen lassen zu können, richteten sich viele CED-Betroffene mit Fragen an das Expertengremium. Diese sehen die Sorgen als unbegründet und empfehlen die als unbedenklich einzustufende Impfung mit sogenannten Totimpfstoffen.  Zu der Stellungnahme des Kompetenznetz Darmerkrankungen gelangst du hier.  

Im Falle eines Totimpfstoffs werden abgetötete bzw. nicht mehr vermehrungsfähige Erreger oder bestimmte Teile von Erregern, sogenannte Antigene, für die Impfung verwendet. Beispielsweise trifft dies etwa auf die Hepatitis- oder Grippeimpfung zu. Lebendimpfstoffe hingegen enthalten lebensfähige Erreger, welche jedoch stark abgeschwächt sind und keine krankmachenden Eigenschaften mehr besitzen. Beispiele hierfür sind die Impfungen gegen Masern oder Röteln.8 Bei Patienten, die eine immunsuppressive Therapie einnehmen und dadurch ein geschwächtes Immunsystem besitzen, können Komplikationen durch die Vermehrung solch abgeschwächter Erreger jedoch nicht ausgeschlossen werden, weshalb eine Impfung mit Lebendimpfstoffen unter Immunsuppressiva vermieden werden sollte.9

Basierend auf ihrem Wirkmechanismus werden die derzeit in Deutschland gegen Covid-19 zugelassenen Impfstoffe Comirnaty und Spikevax der Firmen BioNTech / Pfizer bzw. Moderna als mRNA- und die Impfstoffe Vaxzevria und Janssen der Firmen AstraZeneca bzw. Janssen-Cilag International als Vektorimpfstoffe bezeichnet. Bei allen derzeit zugelassenen Impfstoffen gegen Covid-19 handelt es sich um Totimpfstoffe. Die STIKO empfiehlt die Verwendung von Comirnaty ab 12 Jahren, die Verwendung von Spikevax ab 30 Jahren und die Verwendung der Impfstoffe Vaxzevria und COVID-19 Vaccine Janssen ab dem Alter von 60 Jahren. Gemäß der Empfehlung des Kompetenznetz Darmerkrankungen besteht für CED-Betroffene unter immunsuppressiver Therapie die Möglichkeit sich mit jedem der verfügbaren Impfstoffe impfen zu lassen.7 Wie eingangs beschrieben empfiehlt die STIKO für die Auffrischimpfung nur die Impfung mit einem mRNA-Impfstoff. Da bei Personen unter 30 Jahren, die eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff erhielten, seltene Fälle einer Herzmuskelentzündung auftraten (Myokarditis) und diese Fälle sich häufiger nach der Impfung mit dem Impftstoff Spikevax von Moderna zeigten, empfiehlt die STIKO bei unter 30-Jährigen nur noch den mRNA-Impfstoff Comirnaty von BioNTech/Pfizer.

mRNA-Impfstoffe enthalten den Bauplan für das SARS-CoV-2-Antigen

Die mRNA oder auch „messenger RNA“ ist ein Botenmolekül der Zelle, welches die Bauanleitung zur Bildung von Proteinen enthält. Die mRNA-Moleküle der Covid-19-Impfstoffe beinhalten die Anleitung zum Bau eines bestimmten Proteins aus der äußeren Virushülle des SARS-CoV2-Erregers, das sogenannte „Spike-Protein“. Auf der Oberfläche bilden die Spike-Proteine die charakteristischen kronenförmigen Ausstülpungen, über die die Viren aus der Familie der Coronaviren in die Körperzellen gelangen und denen diese ihren Namen verdanken (Corona = lateinisch für Krone oder Kranz). Die Impfstoffentwicklung ist wesentlich auf dieses charakteristische und virusspezifische Antigen ausgerichtet. 

Nachdem der Impfstoff in das Muskelgewebe gespritzt wird, nehmen die umliegenden Zellen die mRNA auf und beginnen mit der Produktion des Spike-Protein, indem der mRNA-Bauplan abgelesen wird. Kommt das Immunsystem anschließend mit dem Spike-Protein in Kontakt wird dieses als fremdartig erkannt und eine Immunantwort durch die Bildung von Antikörpern ausgelöst. Bei einem zukünftigen Kontakt mit SARS-CoV-2-Erregern ist das Immunsystem „geschult“ und kann eine sofortige Abwehrreaktion auslösen – es besteht ein Immunschutz. Nachfolgende Abbildung zeigt dir den Wirkmechanismus der mRNA-Impfstoffe im Detail:

Vektorimpfstoffe mit vergleichbarem Wirkmechanismus

Die Wirkung der zugelassenen Vektorimpfstoffe beruhen auf demselben Prinzip der Produktion des Virusantigens, in Form des SARS-CoV-2 Spike-Proteins, durch Zellen unseres Muskelgewebes nach der Impfung. Jedoch unterscheidet sich der Weg, auf welchem die Bauanleitung für das Spike-Protein in unsere Zellen gelangt. Bei Vektorimpfstoffen geschieht dies über für den Menschen harmlose bzw. abgeschwächte Viren, den sogenannten Trägerviren oder Vektoren.

In einigen Punkten herrscht noch Unklarheit und Mediziner*innen und Wissenschaftler*innen arbeiten unter Hochdruck daran, letzte entscheidende Fragen zur Covid-19-Impfung zu klären. Entsprechend werden derzeit Impfempfehlungen regelmäßig aktualisiert. Sobald Neuigkeiten von ärztlichen Fachgesellschaften, dem BMG oder der STIKO erscheinen, werden wir Euch darüber informieren.

Vor allem die Impfung mit mRNA-Impfstoffen auch unter bestehender Immunsuppression möglich

Bislang liegen noch wenige Daten zur Immunogenität, Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe bei immunsupprimierten Patient*innen vor. Das Expertengremium des Kompetenznetzes Darmerkrankungen empfiehlt, dass immunsupprimierte Patient*innen – sofern frei wählbar – bei vergleichbaren Sicherheitsdaten mit dem effektivsten Impfstoff geimpft werden sollen. In jedem Fall ist laut Meinung der Expert*innen jedoch die Impfung mit einem von den zugelassenen COVID-19 Impfstoffen die deutlich bessere Option als keine Impfung durchzuführen. Auch die STIKO betont, dass von einer geringeren Wirksamkeit der Impfstoffe bei immunsupprimierten Personen in Abhängigkeit von der Art und Ausmaß der Immunsuppression auszugehen ist, die immunsuppressive Therapie aber auch bei einer Impfung fortgeführt werden kann.

Dass eine Impfung mit mRNA-Impfstoffen unter bestehender Immunsuppression problemlos möglich ist, zeigt das Ergebnis einer Studie aus Deutschland. In dieser wurde eine kleine Gruppe von 26 Patient*innen mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Rheuma, multiple Sklerose, Schuppenflechte oder auch CED, die eine immunsuppressive Therapie erhielten, nach Impfung mit den verfügbaren mRNA-Impfstoffen untersucht. Das Ergebnis: Die mRNA-Impfung erwies sich als allgemein wirksam und verträglich und es zeigte sich keine erhöhte Aktivität der jeweiligen chronisch-entzündlichen Erkrankungen. 

Impfung gegen Covid-19 allgemein unbedenklich

Die bislang beobachteten Nebenwirkungen einer COVID-19-Impfung sind gering und vergleichbar mit anderen herkömmlichen Impfungen. So können etwa kurzfristige Reaktionen an der Injektionsstelle in Form leichter Schmerzen, Schwellungen oder Rötungen sowie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwäche oder vereinzelt Übelkeit auftreten. Nur selten werden schwerere Nebenwirkungen beobachtet. Solltest du im Netz oder anderorts Berichte über Nebenwirkungen lesen, so vergewissere dich, dass es sich dabei um vertrauenswürdige Meldungen handelt. Denn verschiedene Fake News (also Falschmeldungen) machen die Runde, wie etwa, dass Impfstoffe unser Erbgut verändern könnten oder unfruchtbar machen – solche Behauptungen entsprechen nicht der Wahrheit!

Nach der Impfung mit den mRNA-Impfstoffen sind in sehr seltenen Fällen Herzmuskelentzündungen (Myo- und Perikarditiden) aufgetreten. Bei unter 30-Jährigen ist das Risiko nach Impfung mit Spikevax höher als nach der Impfung mit Comirnaty. Insgesamt handelt es sich jedoch bei beiden Impfstoffen um eine sehr seltene Impfnebenwirkung. Im Falle der Impfung mit den Vektorimpfstoffen Vaxzevria oder COVID-19 Vaccine Janssen sind sehr seltene Fälle von Thrombosen in Kombination mit Thrombozytopenien aufgetreten. Aufgrund des geringeren Risikos im höheren Alter, empfiehlt die STIKO diese beiden Impfstoffe daher nur ab einem Alter von 60 Jahren.

Solltest du dich dennoch unsicher fühlen, ob eine COVID-19-Grundimmunisierung oder Auffrischungsimpfung für dich empfehlenswert ist, so sprich am besten auch mit deinem / deiner behandelnden Gastroenterologen / Gastroenterologin hierzu.