Herpes: Welche Rolle spielen Infektionen bei CED?

CED & Herpesviren: Von Lippenherpes, Gürtelrose & Windpocken

Patient*innen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) sind aus verschiedenen Gründen anfälliger für Infektionen: Zum einen können einige CED-Medikamente, wie beispielsweise Immunsuppressiva, dazu führen, dass Krankheitserreger ein leichteres Spiel bei den CED-Betroffenen haben. Zum anderen können eine Mangelernährung aufgrund der Darmentzündungen oder Komorbiditäten, die mit der CED einhergehen, Gründe für die gesteigerte Infektanfälligkeit sein.1,2,3 So spielen auch Infektionen durch die verschiedenen Vertreter der Herpesviren bei CED-Betroffenen eine Rolle. Herpesviren – hier denkst du sicherlich an den geläufigen Lippenherpes, der von dem Herpes-Simplex-Virus 1 (HSV-1) ausgelöst wird. Aber zur Herpesfamilie gehören noch weitere Viren, z. B. das Herpes-Simplex-Virus 2 (HSV-2; führt zu Genitalherpes), Cytomegalievirus (CMV; geht häufig mit grippeartigen Symptomen einher oder verläuft asymptomatisch) oder das Varizella-Zoster-Virus (VZV; verursacht Windpocken und nach Reaktivierung eine Gürtelrose). Für all diese Herpesviren gilt: Einmal infiziert, verbleibt das Virus lebenslang im Körper der Betroffenen. Nach der Erstinfektion begeben sich die Viren in den Zustand der sogenannten Latenz: Es werden zwar keine neuen Viruspartikel produziert, doch das Virus hält sich weiterhin in den Körperzellen auf – bis es zu einer Reaktivierung kommt, beispielsweise bei einem geschwächten Immunsystem. Das Virus beginnt dann, sich erneut zu vermehren.4 

Oben- und untenrum pfui: Herpes-Simplex-Virus-1 und -2

Es beginnt meist mit einem Kribbeln an der Ober- oder Unterlippe, bis sich schmerzhafte Bläschen bilden: Lippenherpes ist verbreitet – in Deutschland tragen schätzungsweise 60–90 % der Bevölkerung das Virus HSV-1 in sich. Wer einmal Lippenherpes bekommt, hat häufig immer wieder damit zu tun – dies gilt auch für eine Infektion mit HSV-2, das wiederum die Ursache für Genitalherpes ist. Grund für den immer wiederkehrenden Herpes kann ein durch Erkältungen oder Stress geschwächtes Immunsystem sein.5 Stress kann sich auch anderweitig negativ auf deinen Gesundheitszustand auswirken. Tipps, die dir dabei helfen können, deinen Stresspegel im Alltag zu reduzieren, findest du in unserem Beitrag Dein Rezept gegen Stress. Aufgrund der häufigen Verbreitung hast womöglich auch du als CED-Betroffene*r schon einmal Bekanntschaft mit diesen Viren gemacht. Doch keine Sorge, solltest du eine HSV-Infektion haben, kann diese wie bei Personen ohne CED mit der Einnahme antiviraler Medikamente behandelt werden.3

Cytomegalievirus: Wechselspiel von Darm und Virus

Vermutlich hast du noch nicht davon gehört, doch ist es eines der am weitesten verbreiteten Herpesviren: Das Cytomegalievirus (CMV). 40 % aller Erwachsenen in Deutschland und >90 % aller Erwachsenen in Entwicklungsländern sind mit diesem Vertreter der Herpesfamilie infiziert. Dabei ist die Erstinfektion meist harmlos und verläuft ohne bzw. mit unspezifischen, grippeartigen Symptomen – abgesehen von immunsupprimierten Menschen, bei denen es bei einer Infektion zu Komplikationen kommen kann.4,6 Nach der Erstinfektion verbleibt das Virus in verschiedenen Organen, u. a. im Darm, und kann dort bei einer Reaktivierung die Darmentzündung bei Patient*innen mit Colitis ulcerosa (CU) verstärken – in einem solchen Fall wird von einer CMV-Colitis gesprochen. Hierbei kommt es zu einem Wechselspiel aus Virusinfektion und Darmentzündung: Die Schleimhautentzündung oder auch die Einnahme von immunmodulatorischen Medikamenten kann die CMV-Reaktivierung im Darm begünstigen. Es werden wieder Viren von den Körperzellen produziert, was wiederum die CU verschlimmert. Auch die Wirksamkeit einiger Medikamente, wie Steroide und Immunsuppressiva, kann beeinträchtigt werden. Dadurch ist z. B. die Wahrscheinlichkeit einer Steroidresistenz bei einer CMV-Colitis um mehr als das Zwanzigfache erhöht.7 Apropos Steroide – lies in unserem Beitrag Steroidabhängigkeit: Wenn aus einem kurzen Vor- ein langer Nachteil wird, weshalb eine langfristige Einnahme nachteilig für dich sein könnte. Aufgrund dieser wechselseitigen Beziehung von Darmentzündung und Virusinfektion ist eine CMV-Colitis bei CU-Patient*innen eine wichtige Komplikation: Bei schweren Verläufen oder wenn Patient*innen unzureichend auf die medikamentöse Therapie ansprechen, sollte geprüft werden, ob eine CMV-Infektion vorliegt. Wenn auch seltener, ist die CMV-Colitis für Betroffene von Morbus Crohn ebenfalls eine bedeutsame Komplikation, sollten diese nicht auf Steroide ansprechen.1,2,3 

Varizella-Zoster-Virus: Hattest du schon Windpocken? 

Hautausschlag, juckende rote Bläschen, Fieber – das Varizella-Zoster-Virus (VZV) verursacht die typische Kindererkrankung Windpocken beim Erstkontakt. Wie auch die anderen Herpesviren verbleibt das VZV nach dem Abklingen der Windpocken lebenslang im Körper. So kann es z. B. mit zunehmendem Alter oder unter einer immunsuppressiven Therapie zur Gürtelrose reaktivieren. Auch hier kommt es zunächst zu einem Hautausschlag, gefolgt von Bläschen, die sich in bestimmten Bereichen (sogenannten Dermatomen) von der Kopfhaut bis zur Fußspitze zeigen können, jedoch am häufigsten am Rumpf und Brustkorb (Dermatome T3–L3) auftreten. Während oftmals nur ein Dermatom betroffen ist, kann die  Gürtelrose bei immunsupprimierten Personen auch mehrere Hautbereiche einbeziehen. Erwachsene können hierbei unter starken Schmerzen durch eine akute Neuritis – eine Entzündung der Nerven – leiden. Auch nachdem die Gürtelrose vermeintlich abgeheilt ist, können diese Nervenschmerzen noch über einen langen Zeitraum bestehen bleiben – in Einzelfällen sogar lebenslang.4,8 VZV ist das einzige Herpesvirus, gegen das man sich impfen lassen kann – es gibt sowohl eine Windpocken- als auch Gürtelrose-Impfung. Dabei wird CU-Patient*innen die Windpocken-Impfung empfohlen, die zuvor noch keine VZV-Infektion hatten. Grund für diese Empfehlung ist, dass ein erhöhtes Risiko für Komplikationen – z. B. eine sogenannte Varizellenpneumonie (Lungenentzündung) – besteht, solltest du als Betroffene*r während einer immunsuppressiven Therapie an Windpocken erkranken.1 Sprich mit deinen behandelnden Ärzt*innen, falls du dir nicht sicher bist, ob du bereits Windpocken hattest. Es gibt die Möglichkeit, durch eine Blutuntersuchung festzustellen, ob du schon einmal die Infektion durchlaufen hast – falls nicht, solltest du dich gegen VZV impfen lassen, wenn möglich noch vor Beginn der immunsuppressiven Therapie.1 Zwar empfehlen die Leitlinien nicht explizit diese Impfung für Betroffene von Morbus Crohn, doch solltest du mit deinem Behandlungsteam besprechen, ob diese und welche weiteren Impfungen für dich als CED-Betroffene*r sinnvoll sind. Einen ersten Überblick kannst du dir in unserem Beitrag Impfen vor dem Start der CED-Therapie – Was ist zu beachten? verschaffen.