Mann vs. Frau: Gibt es Unterschiede bei CED?

Geschlechterspezifische Unterschiede bei CED

Dass sich die biologischen Geschlechter hinsichtlich einiger biologischer Eigenschaften unterscheiden, ist allgemein bekannt. Doch dass es auch im Rahmen von Gesundheit bzw. Krankheit Abweichungen geben kann, ist dir vielleicht weniger bewusst. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede können u. a. bei der Häufigkeit (Morbidität), der Sterberate (Mortalität) und den Entstehungsprozessen der Krankheiten zu Tage treten, aber auch Variationen im Verlauf oder Gesundheitsverhalten sind möglich.1 Beispielsweise versterben Männer öfter an Darmkrebs, während Frauen häufiger von Depression betroffen sind. Auch die Symptome während eines Herzinfarkts unterscheiden sich bei den beiden Geschlechtern zum Teil.2,3 Weitere Informationen zu deiner Herzgesundheit im Zusammenhang mit deiner CED erfährst du übrigens in unserem Beitrag Kardiovaskuläres Risiko: Wenn die CED ans Herz geht. Damit nicht genug der Unterschiede: Selbst in der Behandlung führt das biologische Geschlecht teilweise zu anderen Herangehensweisen – z. B. erhalten Männer generell eher innovative und teure Therapien.2 Einige dieser geschlechtsspezifischen Unterschiede werden auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) beobachtet.

Erscheinungsbild, Komplikationen, Umgang: Wo liegen die Unterschiede?

Bereits bei der CED-Verteilung beginnen die Unterschiede zwischen den biologischen Geschlechtern: In Europa und den USA sind mehr Frauen von Morbus Crohn (MC) betroffen, während in Asien häufiger Männer erkranken.3,4,5 Bei Colitis ulcerosa (CU) gibt es zwar einen geringeren geschlechtsspezifischen Zusammenhang, allerdings scheinen ab einem Alter von 45 Jahren mehr Männer betroffen zu sein.3,4 

Welchen Einfluss das biologische Geschlecht auf die Krankheitsaktivität bzw. den Verlauf der CED hat, ist noch unklar.3 Doch können diverse andere Unterschiede in Hinblick auf den Phänotypen, also das Erscheinungsbild der CED, beobachtet werden. Bei MC scheint es z. B. einen geschlechtsspezifischen Zusammenhang zu geben, welche Darmabschnitte von den Entzündungen betroffen sind: Bei Männern befinden sich die Entzündungen häufiger im oberen Verdauungstrakt, z. B. im Ileum (Krummdarm).3 Auch hinsichtlich der extraintestinalen Manifestationen (EIM) der CED gibt es geschlechtsspezifische Abweichungen: Insgesamt treten die verschiedenen Beschwerden außerhalb des Verdauungstrakts häufiger bei weiblichen CED-Patient*innen auf – insbesondere EIMs mit Gelenk-, Haut- und Augenbeteiligung. Männer hingegen leiden zum Beispiel öfter an einer chronischen Entzündung der Gallengänge (primär sklerosierende Cholangitis; PSC) oder an Morbus Bechterew, einer Erkrankung der Wirbelsäule.3,4,5

Auch das Risiko für einige CED-Komplikationen unterscheidet sich zwischen Männern und Frauen: Die CED geht bei weiblichen Betroffenen häufiger mit Lungen-Komplikationen einher, während Dickdarmkrebs häufiger bei männlichen CED-Patienten auftritt.3 Zudem wird der Dickdarm bei Männern mit CU häufiger chirurgisch entfernt (Kolektomie).5 Doch aufgrund des erhöhten Darmkrebs-Risikos sollten sich alle CED-Patient*innen mit einer entsprechenden Vorsorge befassen – unabhängig vom Geschlecht. Lies mehr dazu in unserem Beitrag Darmkrebsvorsorge bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Auch bei der CED-Behandlung können Differenzen beobachtet werden: Frauen erhalten seltener CED-spezifische Medikamente – insbesondere Immunsuppressiva und Biologika werden häufiger bei Männern eingesetzt.4,6

Der Umgang mit der Erkrankung und die psychosozialen Auswirkungen sind sehr individuell, doch auch hier gibt es geschlechtsspezifische Tendenzen: Weibliche CED-Patientinnen leiden häufiger an Depression und Fatigue. Zudem berichten sie öfter von einem negativem Körperbild und einer reduzierten Lebensqualität, was erklären könnte, weshalb sie häufiger arbeitsunfähig werden als Männer. Auch die sexuelle Aktivität ist bei mehr Frauen reduziert.3,4 

Weshalb unterscheidet sich die CED bei Mann und Frau?

Wodurch diese Unterschiede zustande kommen, ist noch nicht vollständig geklärt. Es konnten jedoch bereits verschiedene Faktoren bzw. Umweltbedingungen mit einem gesteigerten CED-Risiko in Zusammenhang gebracht werden – auf einige dieser Faktoren gehen wir in unserem Beitrag Von Stadtleben bis Tee-Konsum – die (un-)erwarteten Einflussfaktoren bei CED genauer ein. Generell scheint es geschlechtsspezifische Unterschiede in Hinblick darauf zu geben, wie stark sich Personen verschiedenen Umweltbedingungen aussetzen, u. a. Drogen, Sonnenlicht, Vitamin D oder einem ungesunden Lebensstil: Rauchen ist z. B. mit einem höheren MC-Risiko bei Frauen assoziiert.3 Inwieweit diese Faktoren zur Entwicklung von CED beitragen, muss noch im Detail geklärt werden.
Zudem kann der Hormonhaushalt eine Rolle spielen: Weibliche Hormone beeinflussen viele Prozesse im Verdauungstrakt, wie u. a. die Kontraktionen des Magens, den Weitertransport des Nahrungsbreis oder die Schmerzempfindlichkeit des Darms. Die weiblichen Hormone (insbesondere Östrogen) scheinen sowohl die CED-Entwicklung als auch die Symptome zu beeinflussen. Da orale Kontrazeptiva (Antibabypille) weibliche Hormone enthalten, können diese ähnliche Auswirkungen auf den Darm haben.7

Die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Erkrankungen wie CED sollten berücksichtigt werden, damit die Diagnose und Behandlung möglichst frühzeitig erfolgen können. Die Entwicklung von weiterführenden Komplikationen kann so verhindert bzw. herausgezögert und das Therapiemanagement im Rahmen einer personalisierten Behandlung verbessert werden.3 Doch Frau ist nicht gleich Frau und Mann nicht gleich Mann – hier gilt es zudem zu bedenken, dass die Forschung non-binäre Menschen wie trans und queere Personen nur selten mit einbezieht.1 Auch CED ist nicht gleich CED: Deine CED ist individuell – unabhängig von deinem Geschlecht.