Die genetischen Veranlagungen bei CED

Veranlagung an CED zu erkranken könnte über die Gene weitergegeben werden

Mit großer Anstrengung suchen Wissenschaft und Medizin nach Gründen für die Entstehung chronischer Krankheiten wie den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Sicher ist – es gibt nicht diesen einen Auslöser für CED. Vielmehr sind es eine Vielzahl verschiedener Faktoren, die in Untersuchungen mit dem Auftreten chronischer Entzündungen im Darm in Zusammenhang gebracht werden konnten und als Ursachen für CED in Frage kommen. So sind, neben Veränderungen der Darmflora, unter anderem verschiedene Umwelteinflüsse oder Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Lebensweise von Betroffenen beschrieben.1-3

Allgemein gilt etwa ein ungesunder Lebensstil, wie er in westlichen Industrieländern Europas und Nordamerikas häufig zu beobachten ist, als mögliche Ursache – sei es das Rauchen, ungesunde Ernährungsweisen, Stress oder ein Mangel an sportlicher Betätigung.2,3 In dem Artikel Junkfood unter Verdacht – Einfluss bei CED? kannst du dich beispielsweise über einen möglichen negativen Einfluss industriell verarbeiteter Speisen informieren. Wenn du mehr über mögliche Umwelteinflüsse im Zusammenhang mit CED erfahren möchtest – wie etwa hygienebedingte Unterschiede beim Leben in Stadt und Land, den Einfluss von bakteriellen Infektionen oder die Durchführung einer Blinddarmoperation – so lohnt es sich einen Blick in den Beitrag Von Stadtleben bis Tee-Konsum – die (un-)erwarteten möglichen Einflussfaktoren bei CED zu werfen.

Doch nicht nur Risikofaktoren des alltäglichen Lebens kommen als Auslöser der CED in Betracht – auch kann in einzelnen Fällen die genetische Veranlagung eines oder einer jeden Einzelnen eine Rolle spielen.2
 

CED zu einem gewissen Grad vererbbar

Ob manche Menschen aufgrund ihrer Gene anfälliger für CED sind, ist ein weiteres Rätsel, was die Wissenschaft seit vielen Jahren zu lösen versucht. Beobachtungen innerhalb des familiären Umfelds betroffener Menschen deuten darauf hin, dass die genetische Veranlagung zu einem gewissen Grad die Entstehung von CED zusätzlich begünstigen kann. So lässt sich etwa ein erhöhtes Risiko für CED feststellen, wenn vor allem nahe Verwandte ersten Grades ebenfalls erkrankt sind.4 Dabei scheint die familiäre Veranlagung bei Morbus Crohn stärker ins Gewicht zu fallen als bei Colitis ulcerosa (CU). Untersuchungen haben gezeigt, dass das Risiko an MC zu erkranken 15- bis 42-mal größer ist, wenn MC bereits in der nahen Verwandtschaft aufgetreten ist. Im Falle von CU zeigte sich das Risiko nur 7- bis 17-fach erhöht gegenüber Personen ohne familiären Hintergrund.5,6 2 bis 14 % der MC-Betroffenen haben mindestens eine*n Verwandte*n, die bzw. der ebenfalls an MC erkrankt ist.1,3

Weitere interessante Ergebnisse lieferten Untersuchungen bei Zwillingspaaren in Deutschland. In diesen Zwillingsstudien zeigte sich, dass bei eineiigen Geschwisterpaaren in 35 % der Fälle beide Geschwister an MC erkranken, wenn zuvor eines der beiden Zwillinge MC bekommen hatte. Bei CU besteht diese sogenannte Konkordanz unter eineiigen Zwillingen in 16 % der Fälle.5,6 Ein genetischer Einfluss bei der Entstehung von CED kann somit nicht komplett geleugnet werden. Dass dieser Einfluss insgesamt jedoch nur gering ist und viele andere Einflussfaktoren ebenfalls eine Rolle spielen, wird wiederum deutlich, wenn man den Unterschied bei zweieigen Zwillingspaaren betrachtet. Hier erkrankten nur 3 % der Geschwister gemeinsam an MC und 2 % gemeinsam an CU.5,6 Unabhängig davon, ob beide oder nur ein Zwilling CED bekommen, ist das Risiko für den Erstgeborenen in der Regel deutlich höher.5,6

Dabei schließen Mediziner auch mit Blick auf die beim Menschen charakteristische und individuell verschiedene Darmflora, eine angeborene Veranlagung an CED zu erkranken nicht aus. Nach der Geburt ähnelt die Darmflora in der Regel der der eigenen Mutter. Und auch im späteren Leben zeigen sich im familiären Umfeld bzw. bei Personen eines gemeinsamen Haushalts Ähnlichkeiten bei der Zusammensetzung der Bakterien im Darm. Da CED-Betroffene häufig eine gegenüber gesunden Menschen deutlich verringerte Vielfalt (Dysbiose) und erhöhte Anzahl schädlicher Darmbakterien aufweisen, wird eine Vererbbarkeit der Darmflora nicht ausgeschlossen.6 Mehr zu den verschiedenen Bakterien deiner Damflora erfährst du in dem Artikel Bakterien im Darm – Billionen kleine Helfer.

Dass eine Veranlagung an CED zu erkranken von Generation zu Generation über die Gene weitergegeben werden könnte, zeigt sich auch bei Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft.6 So konnte beispielsweise in einer jüngst veröffentlichten Studie, in der das Erbgut von 1.700 CED-Betroffenen untersucht wurde, gezeigt werden, dass Europäer sowohl gemeinsame als auch unterschiedliche sogenannte Risikogene für CED aufweisen als Menschen afrikanischer Abstammung.7 
 

Viele verschiedene Gene mit der Entstehung von CED in Verbindung gebracht

Während sich bestimmte Erkrankungen auf Defekte oder Variationen einzelner Gene zurückführen lassen, sind es bei CED viele verschiedene Risikogene, die mit der Entstehung von chronischen Entzündungen im Darm in Verbindung gebracht wurden.2-4 In der überwiegenden Mehrheit der Fälle handelt es sich dabei um Gene, die an der Regulation immunologischer und entzündlicher Prozesse beteiligt sind.2,4 Wissenschaftler sind stetig auf der Suche nach neuen weiteren CED-assoziierten Genen, da die Identifizierung solcher Gene auch immer die Möglichkeit bietet, neue zielgerichtete Therapien zu entwickeln.8 Dennoch bleibt festzuhalten und zu bedenken, dass die genetische Veranlagung nur eine von vielen möglichen Ursachen der CED ist und meist nur im Zusammenspiel mit anderen auslösenden Faktoren zum Tragen kommt. Genetische Untersuchungen bei Betroffenen werden daher nur dann durchgeführt, wenn die CED bereits im Kleinkindalter auftritt und somit ein stärkerer Einfluss der Gene anzunehmen ist.6 

Quellen:

  1. Degenhardt F, Franke A. Genetik des Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa. Gastroenterologe 2017; 12:38–48.
  2. Piovezani Ramos G, Papadakis KA. Mechanisms of Disease: Inflammatory Bowel Diseases. Mayo Clin Proc. 2019; 94(1):155-165.
  3. Ananthakrishnan AN. Epidemiology and risk factors for IBD. Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2015; 12(4):205-17.
  4. Friedt M, Braegger CP. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED). Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung. 2013; 333–361. 
  5. Spehlmann ME, et al. Epidemiology of inflammatory bowel disease in a German twin cohort: results of a nationwide study. Inflamm Bowel Dis. 2008; 14(7):968-76.
  6.  Prof. Andre Franke. CED und Vererbung. Vortrag im Rahmen des Takeda Patienten-Summit "CED – Austausch auf Augenhöhe".
  7. Somineni HK, et al. Whole-genome sequencing of African Americans implicates differential genetic architecture in inflammatory bowel disease. Am J Hum Genet. 2021; 108(3):431-445.
  8. Kompakt Gastroenterologie. CED: Genetischer Defekt als Einfallstor für bakterielle Entzündungen. Biermann Medizin. November 2021: https://biermann-medizin.de/ced-genetischer-defekt-als-einfallstor-fuer-bakterielle-entzuendungen/ (letzter Aufruf: 03.12.2021).