Essstörung durch einseitige Ernährung und Verzicht auf Lebensmittel bei CED

Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa kann es sein, dass bestimmte Lebensmittel Darmbeschwerden verursachen. Den richtigen Speiseplan zusammenzustellen kann dann zur Herausforderung werden, denn Essen soll uns nicht nur schmecken und wohltun, sondern auch mit Energie, Vitaminen, Nährstoffen und vielem mehr versorgen. Insbesondere bei CED ist dies wichtig. Warum das so ist, kannst du in unserem Artikel Die wichtigsten Vitamine und Mineralstoffe bei CED lesen.

Ernährung bei CED: Für viele eine Herausforderung

Ob mit oder ohne CED: Eine ausgewogene Ernährung mit nährstoff- und vitaminreichen Lebensmitteln ist für jede*n wichtig. Für CED-Betroffene kann dies aber besonders herausfordernd sein, da der Speiseplan nicht nur individuelle Vorlieben, sondern auch Verträglichkeiten berücksichtigen und im akuten Schub meist zusätzlich an die Krankheitsaktivität angepasst werden muss. Bislang konnte in Studien nicht eindeutig herausgefunden werden, welche Lebensmittel bei CED günstig sind und welche klar vermieden werden sollten. Daher gibt es bislang auch keine speziellen Diätempfehlungen von den medizinischen Fachgesellschaften, die sich mit CED beschäftigen. „Essen Sie, was Sie gut vertragen“, ist daher die ärztliche Empfehlung, die viele CED-Betroffene im Laufe ihrer Erkrankung hören. 

Für viele spielt die Ernährung eine zentrale Rolle: Etwa jede*r Zweite mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa ist davon überzeugt, mit der Ernährung die Symptome der Erkrankung kontrollieren zu können, und etwa 80 % der Betroffenen sind der Meinung, dass die Ernährung ein wichtiger Bestandteil der CED-Therapie ist.1,2 Viele Betroffene versuchen daher, ihre Erkrankung über die Ernährung positiv zu beeinflussen. Etwa 40 % der CED-Betroffenen haben einer Studie zufolge bereits Diäten ohne ärztliche oder ernährungsberaterische Unterstützung ausprobiert.2 Noch mehr Betroffene vermeiden bestimmte Lebensmittel: Während der Remission, das heißt, wenn die Erkrankung nicht aktiv ist, verzichten bis zu Dreiviertel aller Patient*innen mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa auf bestimmte Nahrungsmittel, meist Milch- und Weizenprodukte sowie Fleisch, aber auch Gemüse und Obst. Im akuten Schub sind es sogar 90 % der Betroffenen, die bestimmte Nahrungsmittel von ihrem Speiseplan streichen.3,4 Häufig kann ein solch strenger Verzicht jedoch zu einem Nährstoffmangel und einer Mangelernährung führen. Betroffene nehmen dann nicht nur zu wenig Eisen, Kalzium, Magnesium und zu wenige Vitamine mit der Nahrung auf, sondern verlieren auch deutlich an Gewicht.5 Mehr über Unter- und Mangelernährung findest du in unserem Artikel Nährstoffspeicher geleert: Unter- und Mangelernährung bei CED. Im schlimmsten Fall kann es bei anhaltendem Nahrungsmittelverzicht zu Folgeerkrankungen wie Osteoporose sowie zu chronischen Unregelmäßigkeiten im Essverhalten, sogenannten Essstörungen, kommen.5,6 

Essstörungen und CED – Gibt es einen Zusammenhang?

Studien zeigen, dass bei bis zu 10 % der CED-Betroffenen im Krankheitsverlauf eine Essstörung auftreten kann.6,7 Besonders bei Mädchen oder Frauen mit CED sowie bei CED-Patient*innen, die mit ihrem Gewicht unzufrieden sind, ist das Risiko für eine Essstörung erhöht.6 Durch die Einschränkung des Speiseplans auf bestimmte Lebensmittel besteht die Gefahr, dass es zu einer sogenannten Orthorexia nervosa kommt.2,8 Bei dieser sind die Betroffenen zwanghaft darauf fixiert, nur noch solche Lebensmittel zu verzehren, die von Ihnen als gesund empfunden werden – oft spielt der Wunsch nach einer Gewichtsabnahme dabei eine Rolle.8,9 Mittlerweile diskutieren Forscher*innen auch darüber, ob und wie die Orthorexia nervosa mit der sogenannten vermeidenden/restriktiven Essstörung, kurz: ARFID, zusammenhängt. Diese wird als selektive Essstörung bezeichnet, bei der die Betroffenen sehr streng auswählen („selektieren“), was sie essen – jedoch nicht, um Gewicht zu verlieren, sondern um Beschwerden nach dem Essen zu vermeiden, wie etwa Schmerzen oder Übelkeit.7,10 Untersuchungen haben gezeigt, dass Betroffene mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa bestimmte Lebensmittel meiden, von denen sie eine Verschlimmerung von CED-Symptomen wie Durchfall oder Schmerzen oder gar einen Schub befürchten.11 Forscher*innen sind daher der Frage nachgegangen, ob das Risiko für eine ARFID bei CED-Betroffenen erhöht ist und fanden heraus, dass jede*r Sechste mit CED eine solche selektive Essstörung haben oder entwickeln könnte.4,7 

Möglicherweise gibt es aber auch einen bidirektionalen Zusammenhang zwischen Essstörungen und CED. Zwar sind die Zusammenhänge noch nicht eindeutig geklärt, doch es gibt Hinweise darauf, dass das Risiko für eine CED erhöht sein könnte, wenn Menschen zuvor wegen einer Anorexia nervosa, die umgangssprachlich auch als Magersucht bezeichnet wird, behandelt wurden.12,13 Für manche CED-Betroffene spielt die Anorexia nervosa noch eine andere Rolle: Beide Erkrankungsbilder treten häufig zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr auf und haben eine Reihe von Symptomen gemeinsam, z. B. das Unwohlsein beim Essen und ein frühes Sättigungsgefühl.13,14 Vor allem bei Patient*innen mit Morbus Crohn kann dies dazu führen, dass die entzündliche Darmerkrankung zunächst für eine Magersucht gehalten wird.14 Behandelnde Ärzt*innen, die eine Anorexia nervosa vermuten, sollten daher auch immer eine CED in Erwägung ziehen – vor allem, wenn die Patient*innen von begleitenden Symptomen wie Bauchschmerzen oder Durchfall berichten.14

Wenn du den Eindruck hast, dass dich deine Ernährung nicht ausreichend mit Nährstoffen und Energie versorgt oder dass dein Essverhalten aus dem Gleichgewicht geraten ist, solltest du dich an dein Behandlungsteam wenden. Sie werden dich beraten, wie du deinen Speiseplan nach deinen individuellen Bedürfnissen gestalten kannst, ohne dass es zu Darmbeschwerden kommt. Möglicherweise hilft dir auch eine Ernährungsberatung oder Ernährungstherapie, damit du trotz CED dein Essen wieder genießen kannst.3

Quellen:

  1. Kinsey L, Burden S. A survey of people with inflammatory bowel disease to investigate their views of food and nutritional issues. Eur J Clin Nutr 2016; 70, 852–854.
  2. Kakodkar S, Mutlu EA. Diet as a therapeutic option for adult inflammatory bowel disease. Gastroenterol Clin North Am 2017; 46(4): 745–767.
  3. Marsh A, et al., Food avoidance in outpatients with Inflammatory Bowel Disease e Who, what and why. Clin Nutr ESPEN 2019;31:10-16.
  4. Yelencich E, et al. Avoidant Restrictive Food Intake Disorder Prevalent Among Patients With Inflammatory Bowel Disease. Clin Gastroenterol Hepatol 2022; 20(6):1282-1289.e1.
  5. Scaldaferri F, et al. Nutrition and IBD: Malnutrition and/or Sarcopenia? A Practical Guide. Gastroenterol Res Pract 2017;8646495.
  6. Stoleru G, et al. Female gender, dissatisfaction with weight, and number of IBD related surgeries as independent risk factors for eating disorders among patients with inflammatory bowel diseases. BMC Gastroenterol 2022; 22(1):438.
  7. Robelin K, et al. Prevalence and Clinician Recognition of Avoidant/Restrictive Food Intake Disorder in Patients With Inflammatory Bowel Disease. Gastroenterol Hepatol (N Y) 2021; 17(11): 510–514.
  8. Tuck CJ, et al. Orthorexia nervosa is a concern in gastroenterology: A scoping review. Neurogastroenterol Motil 2022; 34(8): e14427.
  9. Atchison AE, Zickgraf HF. Orthorexia nervosa and eating disorder behaviors: A systematic review of the literature. Appetite 2022; 177:106134.
  10. Dunn TM, Bratman S. On orthorexia nervosa: A review of the literature and proposed diagnostic criteria. Eating Behaviors 2016; 21: 11–17.
  11. Day AS, et al. Food avoidance, restrictive eating behaviour and association with quality of life in adults with inflammatory bowel disease: A systematic scoping review. Appetite 2021; 167:105650.
  12. Ilzarbe L, et al. Inflammatory Bowel Disease and Eating Disorders: A systematized review of comorbidity. J Psychosom Res 2017; 102:47-53.
  13. Larsen JT, et al. Anorexia nervosa and inflammatory bowel diseases—Diagnostic and genetic associations. JCPP Advances 2021; 1(4): e12036.
  14. Herpertz S, et al. S3-Leitlinie Diagnostik und Behandlung der Essstörungen. Überprüfung: 2018. Registernummer 051 – 026.

EXA/DE/ENTY/1005

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