Diagnose unheilbar krank – Gürkans Geschichte zwischen Colitis ulcerosa und Depressionen

Interview Patient Colitis ulcerosa

Gerade das Abitur abgeschlossen, aus dem Elternhaus aus- und in eine neue Stadt gezogen, den ersten festen Job begonnen und dann: Diagnose Colitis ulcerosa. In genau dieser Lebensphase befand sich der 19-jährige Gürkan Dursun als bei ihm Anfang 2018 die chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED) diagnostiziert wurde.

Wie viele andere Betroffene auch, durchlief Gürkan zur Zeit der Diagnose einen akuten Schub. Da er kaum ausreichend Kraft aufbringen konnte, um seinen Alltag allein zu bewältigen, entschied er sich dazu, seine Pläne hintenanzustellen und vorerst zurück zu seinen Eltern zu ziehen. Er begann viel zu der Erkrankung zu lesen und zu recherchieren, um zu verstehen, was sie bedeutet. Zumal er vor seiner Diagnose nicht in Berührung mit Colitis ulcerosa gekommen war. Die Krankheit zehrte an Gürkan – nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. So sehr, dass Gürkan depressiv wurde.   

Trotz alledem nimmt er zum Wintersemester 2018/19 ein Studium der Ökotrophologie auf (aus dem Altgriechischen abgeleitet bedeutet dies soviel wie Ernährungs- und Hauswirtschaftswissenschaften)– sein Interesse für Körper, Gesundheit und Ernährung prägt ihn schon seit dem Kindesalter. Dennoch findet Gürkan nicht in einen routinierten Alltag, da ihn weiterhin sowohl die Colitis ulcerosa als auch die Depression zu schaffen machen – für die er sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Behandlung begeben hat.

„Man lebt im Gefängnis seiner Gedanken, ständig eine erdrückende und kräftezehrende Wolke, die einen stets begleitet.“

Als Gürkan mit seinen Kräften am Ende ist, sucht er sich Hilfe: Zuerst in Form einer Psychotherapie – hier versteht er zum ersten Mal: „Ich bin krank und damit muss ich lernen zu leben.“ Schon nach den ersten Terminen beginnt sich seine Einstellung zu ändern – die „Wolkendecke“ der Depression reißt nach und nach auf. Er versteht, dass sein Körper und Geist jetzt anders funktionieren und er anfangen muss, sich daran anzupassen. Gürkan lernt, dass für ihn Routine eine wichtige Rolle für den Alltag spielt, und dass er diese wiederfinden muss – aber langsam, um seinen Körper dabei nicht zu überfordern. Rückblickend würde er jedem, der sich in der gleichen Situation befindet, raten, die Behandlung so früh wie möglich zu beginnen – am besten für die Depression und die CED parallel. Für ihn war dabei besonders wichtig, den Stress von außen, vor allem des Studiums, so weit wie möglich zu minimieren. Und so legte er ein Urlaubssemester ein, um sich komplett auf seine Gesundheit fokussieren zu können.

Geholfen hat ihm auch die Unterstützung von Familie und Freunden. Sein Umfeld war von Anfang an involviert, zumal er kaum verstecken konnte, wie schlecht es ihm ging. Sie unterstützten ihn wo und wie sie konnten, gerade auch seine damalige Freundin hat ihm sehr geholfen. Er gibt zu, dass es auch für seine Familie nicht einfach war, sich in seine Situation hineinzuversetzen, teilweise hat er sich darum missverstanden gefühlt. Gerade in Bezug auf Depressionen trifft dies häufig zu, sodass sich Betroffene mitunter zurückziehen. Gürkan sagt: „Genau das ist aber der falsche Weg, die Lösung ist Offenheit gegenüber seinem Umfeld und so gut wie möglich verständlich machen, wie es einem geht“, dann kommen Verständnis und Unterstützung von ganz allein.

„Einige Türen mögen sich vielleicht schließen – dafür öffnen sich aber mindestens genauso viele neue.“

Jetzt, fast drei Jahre nach der Diagnose, befindet sich Gürkan in Remission und er lernt, trotz einiger Rückschläge, immer besser mit Colitis ulcerosa und Depressionen zu leben. Mit seinen Erlebnissen und dem erlernten Umgang möchte er anderen helfen – das ist für ihn „sein Weg“. So schrieb und veröffentlichte er 2019 den Ratgeber „Diagnose Unheilbar Krank Mein Leben mit Colitis Ulcerosa“. In diesem reflektiert er seine Geschichte und widmet sich neben den Erkrankungen selbst vor allem auch allgemeineren Themen wie Ernährung, psychische Gesundheit und Selbstverwirklichung.

„Gedanken beeinflussen unsere Gefühlslage: Je nachdem wie wir uns fühlen, so verhalten wir uns auch.“

Akzeptanz und Umgang sowohl mit CED als auch mit Depression, sind ein laufender Prozess mit Hochs und Tiefs. Gürkan erlebt dabei Rückschläge, die sofort beide Erkrankungen beeinflussen: Stellen sich leichte Symptome der CED ein, hat er häufig auch ein psychisches Tief und vice versa.

Schwer fällt ihm vor allem eines: damit klarzukommen, dass vor allem die CED eine unberechenbare Erkrankung ist. Trotz der Rückschläge arbeitet er aber auf seine Ziele hin. Er möchte insbesondere einen Alltag und eine Routine finden, seinem Hobby – dem Sport – wieder uneingeschränkt nachgehen können und sich allgemein in seinem Körper wieder wohler fühlen. Trotz der Erkrankungen strebt er an, widerstandsfähiger zu werden und hofft, dass ihm das dabei hilft, die starken Hochs und Tiefs der physischen und psychischen Gesundheit wieder besser abzufangen.

Für ihn sind positive Gedanken und ein gesundes Denkverhalten der Schlüssel zur Akzeptanz und zum Umgang mit Colitis ulcerosa und Depressionen. Denn akut lassen sich oft nur die Gedanken direkt kontrollieren. „Man ist aber sowohl der CED als auch der Depression nicht vollkommen hilflos ausgeliefert, sondern kann selbst Einfluss nehmen – und der erste Schritt dazu sind positive Gedanken.“, sagt Gürkan.