Sport und CED

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 Minuten moderaten Sport pro Woche. Doch würde diese Regel auch für CED-Betroffene gelten? Bislang gibt es keine einheitliche Empfehlung. Vieles spricht aber dafür, dass Sport eine positive Auswirkung auf das körperliche sowie mentale Wohlbefinden haben kann.1 Wir wollten mehr darüber erfahren und haben mit André Vieth, Kraftsporttrainer und CEDBetroffener, gesprochen, um nach seinen Erfahrungen und seinem Leben mit Sport #TrotzCED zu fragen.

Wer André Vieth im Fitnessstudio trifft, wird nicht erahnen, dass er eine chronische Darmerkrankung hat. Er ist sportlich, trainiert in der Regel 3x pro Woche und ist als ausgebildeter Kraftsporttrainer und Blogger tätig. Doch bis er es hierher geschafft hat, war es ein langer Weg.

„Morbus Crohn – was ist das? Ich habe noch nie etwas von der Krankheit gehört.“

Als Jugendlicher war André so gut wie jede Woche in der Uniklinik. Mit 13 bekam er plötzlich schwere
Entzündungen in der Mundschleimhaut mit Rissen in der Mundhöhle. Ursache: unbekannt. Ein
Ärztemarathon begann. Nach jahrelanger Ungewissheit erhielt er mit 19 dann endlich die Diagnose Morbus
Crohn.
Auch als die Diagnose bereits feststand, sagte er sich „es wird schon alles wieder gut ausgehen“ und hoffte
auf einen Arztfehler. Chronisch krank zu sein war für André nur schwer vorstellbar. Er war mitten in seiner
Ausbildung und fühlte sich komplett aus dem Leben gerissen. Zwischenzeitlich spielte er mit dem
Gedanken, die Ausbildung abzubrechen, entschied sich jedoch dagegen und beendete sie mit Bravour.
Nichtsdestotrotz konnte er den erlernten Beruf nicht ausüben. Die hohe körperliche Belastung als
Industriemechaniker machte ihm zu schaffen. Hinzu kamen immer wieder schwere Schübe, die Ausfälle für
teilweise mehrere Monate bedeuteten.

„Ich stand wieder bei 0 da. Ich musste wieder neue Weichen stellen. Ich stand ohne Beruf da, alle in meinem Alter waren fest im Beruf.“

Der nächste Schlag ließ nicht lange auf sich warten. Die Ärzte stellten bei André die Vorstufe Osteoporose
(Knochenschwund) fest. Dieser Rückschlag markierte aber
auch einen Wendepunkt in Andrés Leben: Tatenlos zusehen, wie sein Körper immer mehr abbaut, war
für ihn keine Option. Er machte sich aktiv auf die Suche nach einer Sportart, die gut zu seiner körperlichen
Konstitution passt und sich mit Morbus Crohn verträgt. D. h. eine Sportart, wo er nicht lange laufen muss,
wo er seine Muskulatur aufbauen kann und wo er, wegen Infektanfälligkeit, unabhängig vom Wetter
trainieren kann. Und so fiel die Wahl auf Kraftsport im Fitnessstudio.

„Sport bedeutet sehr viel für mich. […] Gerade mit der Erkrankung ist es wirklich sehr wichtig für mich geworden, weil ich durch den Sport auch viele der Nebenwirkungen kompensieren kann. Ich kann mein Knochengerüst, meine Muskulatur aufbauen, ich kann aber auch psychischen Ausgleich schaffen.“

Sein Training im Fitnessstudio machte André Spaß. Schnell merkte er die Fortschritte und Veränderungen
seines Körpers: Er baute Muskeln auf, fühlte sich fitter, war weniger müde und bekam seine
Rückenschmerzen in den Griff. Sein Fazit nach den ersten Trainingseinheiten: Sport gibt ihm Struktur und
tut seinem Wohlbefinden gut – ebenso war er eine gute Ablenkung.


Nach etwa einem Jahr entwickelte sich der Wunsch, andere CED-Betroffene beim Sport zu unterstützen.
Sein Ziel war es eine Trainerlizenz zu erwerben. Auch wenn sein Umfeld dem Plan zu Beginn eher skeptisch
gegenüber stand, bewies André Durchhaltevermögen und machte neben seiner beruflichen Umschulung
die Trainerlizenz.

„Der Sport hat mich körperlich stärker gemacht. Er hat mein Skelettsystem wieder aufgebaut. Ich bin körperlich widerstandfähiger und agiler. […] Durch diese Widerstandfähigkeit im Alltag habe ich auch mehr Lebensqualität zurückbekommen. Ich gehe fitter durch das Leben.“

Was bei all den Erfolgen schnell vergessen wird: André hat Morbus Crohn. Die chronisch-entzündliche
Darmerkrankung gehört mit allen Facetten zu seinem Leben. Konkret heißt es, dass es Phasen gibt, in
denen er nichts machen kann und u. a. auch das Training aussetzen muss. Aber aufhören kommt für ihn
nicht in Frage.

„Es gab schwere Zeiten, wo ich gesagt habe, ich höre auf mit Kraftsport und fang mit Schach an. Das ist für mich chilliger. Und diese Phasen gibt es immer noch.“

Aber was ist sein Geheimnis? Wie schafft er es, sich trotz Rückschlägen zu motivieren? Motivation ist bei
André eng mit seiner Zielsetzung geknüpft:

„Du musst dir etwas suchen, was dir gefällt. […] Ich habe damals meine Ziele aufgeschrieben – auch Zwischenziele. Wichtig sind realistische Ziele und die Frage: ‚Was willst du damit erreichen?'“

Andrés Tipp für diejenigen, die sich mit Sport schwer tun: Training in der Gruppe kann hilfreich sein. Eine
Gemeinschaft macht stark und kann helfen die nötige Motivation in Tiefphasen zu finden.

Ich finde, der soziale Aspekt ist auch sehr wichtig. Gerade als Erkrankter. Gutes soziales Umfeld kann stärken und entlasten.“

Für welchen Weg bzw. für welche Sportart du dich auch entscheidest, Andrés Leitidee lautet:

„Wenn du es im Kopf willst, wird der Körper eine Möglichkeit finden, das zu realisieren.“